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Übersicht der Übertragungsneurosen

S. Fischer Verlag, 1985
  • német
  • 128 oldal
  • Kötés: kemény kötés + papír védőborító
  • jó állapotú antikvár könyv
  • ISBN: 3100228030
  • Szállító: Weöres Antikvárium

Überraschend stieß die Psychoanalytikerin und Freud-Editorin Ilse Grubrich-Simitis in London, in einem Koffer mit Hinterlassenschaften des ungarischen Freud-Mitarbeiters Sándor Ferenczi, auf ein bisher unbekanntes Manuskript aus Freuds Feder. Sie identifizierte es als den Entwurf zur zwölften metapsychologischen Abhandlung.

Aus einem Begleitbrief Freuds geht hervor, daß die Reinschrift dem Entwurf „Satz für Satz“ folgte. Durch den Entwurf erhalten wir also unerwartet detaillierte Kenntnis vom Inhalt jener verlorenen Abhandlung. Freud hatte Ferenczi die Textskizze zur Kritik übersandt. Während er selbst die Reinschrift später vermutlich vernichtete, blieb der Entwurf jahrzehntelang unerkannt und unbeachtet bei Ferenczis Papieren liegen.

Im stichwortartigen ersten Teil zieht Freud einen systematischen vergleich zwischen den drei klassischen Übertragungsneurosen (Angsthysterie, Konversionshysterie und Zwangsneurose). Im durchgeschriebenen zweiten Teil nimmt er, kühn spekulierend, eine ›Horizonterweiterung‹ vor: die narzißtischen Neurosen einbeziehend, geht er dort der Frage nach, ob das, was heute in der neurotischen und psychotischen Innenwelt als krankhaft und lebenseinschränkend imponiert, in seinen evolutionären Anfängen in der Frühzeit unserer Stammesgeschichte einmal überlebensnotwendige Anpassungsreaktion der Spezies auf bedrohliche Veränderungen der äußeren Lebensumstände und traumatische Ereignisse gewesen sein könnte: »… Was jetzt Neurosen sind, waren Zustandsphasen der Menschheit.«

»Sigmund Freud hat vom November 1914 bis in den Sommer 1915 an einer Folge von Abhandlungen gearbeitet, die er ursprünglich unter dem Titel Zur Vorbereitung einer Metapsychologie in Buchform veröffentlichen wollte. Ihr Ziel hat er selbst in einer Anmerkung zu einem dieser Texte, zur 1917 erschienenen "Metapsychologischen Ergänzung zur Traumlehre", formuliert: »Absicht dieser Reihe ist die Klärung und Vertiefung der theoretischen Annahmen, die man einem psychoanalytischen System zugrunde legen könnte«. Gleichfalls zur Serie gehörend und erst 1917 veröffentlicht: "Trauer und Melancholie". Dagegen sind die drei anderen in den ersten Monaten des Kriegsjahrs 1915 verfaßten Stücke früher, nämlich schon im Entstehungsjahr, in aufeinanderfolgenden Heften der Internationalen Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse publiziert worden. Es sind die klassischen psychoanalytischen Grundlagenschriften "Triebe und Triebschicksale", "Die Verdrängung" und "Das Unbewußte". James Strachey hat die fünf Abhandlungen bündig als Freuds wohl wichtigste theoretische Arbeiten bezeichnet.
Aus den Korrespondenzen wissen wir, daß Freud im Anschluß an die fünf erwähnten Texte bis zur Jahresmitte noch sieben weitere metapsychologische Studien mehr oder weniger beendet hatte, welche die Serie zu einem Buch mit zwölf Kapiteln abrunden sollten. Doch hat er dieses Buch nie veröffentlicht. Da die sieben Manuskripte spurlos verschwunden sind, wird heute angenommen, Freud habe sie später vernichtet. »Man kann«, wiederum nach dem Urteil James Stracheys, »den Verlust, der uns durch das Verschwinden dieser Arbeiten entstanden ist, kaum schwer genug einschätzen. Zur Zeit, als Freud sie niederschrieb, bestand eine einmalige Konstellation günstiger Bedingungen. Freuds frühere große theoretische Darlegung war fünfzehn Jahre zuvor, also in einer relativ frühen Phase seiner psychologischen Forschungen, verfaßt worden. Nun aber, im Jahre 1915, lagen fünfundzwanzig Jahre psychoanalytischer Erfahrung hinter ihm, auf die er seine theoretischen Konstruktionen gründen konnte, und gleichzeitig befand er sich noch im Zenit seiner intellektuellen Kraft.«
Als ich im vergangenen Jahr in London - im Zusammenhang mit Vorarbeiten für die Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen Sigmund Freud und seinem ungarischen Schüler und Mitarbeiter Sändor Ferenczi - einen alten Koffer mit Papieren durchsah, u. a. Blättern, die dem gleichfalls aus Ungarn stammenden Psychoanalytiker Michael Balint von seinem Lehrer und Freund Ferenczi übergeben worden waren, stieß ich unerwartet auf ein Manuskript mit Freuds Handschrift, das ich, nach Titel und Inhalt, mit keinem seiner veröffentlichten Werke in Verbindung bringen konnte. Mit Hilfe eines kurzen Briefs, den Freud auf die Rückseite des letzten Manuskriptblatts geschrieben hatte, wurde mir bald klar, worum es sich handelt: um den Entwurf der verlorenen zwölften metapsychologischen Abhandlung. Der Brief lautet:

28. 7. 15
Lieber Freund,
Ich schicke Ihnen hier den Entwurf der XII [Abhandlung], der Sie gewiß interessieren wird. Sie können ihn wegwerfen oder behalten. Die Reinschrift folgt ihm Satz für Satz und weicht nur wenig von ihm ab. Seite 21-23 sind nach Ihrem Brief hinzugefügt, auf den ich gewartet hatte. Ihr ausgezeichneter Einwand war zum Glück vorgesehen worden.
Ich werde nun eine Pause eintreten lassen, ehe ich Bw [Bewußtsein] und Angst endgiltig ausarbeite. Ich leide viel an Karlsbader Beschwerden.
Herzlichen Gruß Ihr Freud.

Der Brief ermöglicht die sichere Identifizierung des Manuskripts. Nicht nur, daß Freud mit Ferenczi im Jahre 1915 regelmäßig über sein Projekt einer Metapsychologie korrespondierte; diesem wie anderen Briefwechseln ist auch einiges über die Themen der verlorenen sieben Kapitel zu entnehmen, darunter Bewußtsein, Angst bzw. Angsthysterie - die Arbeit an diesen beiden Texten wird im zitierten Begleitbrief ausdrücklich erwähnt -, ferner Konversionshysterie, Zwangsneurose sowie, eben, eine Synthese der Übertragungsneurosen. Und vom Inhalt dieser Synthese erhalten wir nun in Gestalt des Entwurfs einer "Übersicht der Übertragungsneurosen" erstmals Kenntnis.«

Aus der Vorbemerkung der Herausgeberin